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So wohnen wir von Pia Lanzinger


Wer stellt sich nicht ab und zu die Frage, 'wie wohnen eigentlich meine Nachbarn?' Und wer überlegt sich beim Eintreten in ein fremdes Zimmer nicht, 'hätte ich den Raum auch so gestaltet?' Besonders spannend wird es dann, wenn der Grundriss einer fremden Wohnung dem der eigenen entspricht, die unmittelbare Vergleichbarkeit also gegeben ist und man sich selber gerade einrichtet. Unabhängig davon, wie bewusst jeder Einzelne dabei ästhetische Fragen in den Vordergrund stellt, machen alle einen kreativen Gestaltungsprozess durch.

Hier setzt das Projekt 'So wohnen wir' von Pia Lanzinger an. In persönlichen Gesprächen ermittelt sie, wieso die BewohnerInnen sich für unterschiedliche Wohnformen entschieden haben, wie sie mit ganz konkreten Einrichtungsproblemen umgehen und Geschmacksfragen entscheiden. Und inwieweit dabei äußere Faktoren, wie die vorgegebene architektonische Struktur der Wohnbauten, das soziale Umfeld und die Lebensbedingungen in der Messestadt, aber auch der eigene soziale und kulturelle Hintergrund eine Rolle spielen. Nach diesen Gesprächen sind Führungen durch einzelne Wohnungen der nächste Schritt. In kleinem Kreis zeigen BewohnerInnen die Gestaltung ihres privaten Lebensraumes ihren NachbarInnen. Damit ergibt sich ein Bereich zwischen Öffentlichem und Privatem, der zunächst eine grundsätzliche Gelegenheit zum Kennenlernen gibt und im speziellen Fall einen Austausch ermöglicht, der über das Wohnen und Einrichten zu sozialen, kulturellen und persönlichen Fragen führen kann. Wenn darüber gesprochen wird, wie ähnliche Raumsituationen in verschiedenen Wohnungen gehandhabt werden, wird auch sichtbar, wie über das so allgegenwärtige Thema Wohnen gesellschaftlich kommuniziert wird.


Von diesen Führungen, die nur eine begrenzte Anzahl BewohnerInnen erleben kann, erstellt die Künstlerin ein Video, das sie weiteren Interessierten zeigen möchte, um das Gespräch über das Wohnen in der Messestadt auszuweiten. Im Anschluss an diesen Teil des Projektes, der sich auf die Messestadt konzentriert, wird Pia Lanzinger eine Wohnzeitschrift über und für die Messestadt produzieren.

Die Untersuchung verschiedener Lebens- und Arbeitsbedingungen beschäftigte Pia Lanzinger bereits in früheren Arbeiten. Für das Projekt 'Das Mädchenzimmer' von 1997 fotografierte sie Mädchen in ihren Zimmern und achtete dabei besonders auf die Aspekte der Selbstdarstellung und -inszenierung, die sich in den individuellen Raumgestaltungen ausdrückt. Bei dem Projekt 'Die Stadt und ihr Geschlecht' von 1999 stellte sie im Rahmen einer Bustour durch München verschiedene Orte und soziale Gruppierungen vor, um damit die geschlechtsspezifischen Strukturen im städtischen Raum zu thematisieren. Dem künstlerischen Interesse an individuellen Handlungen und Entscheidungen liegen allgemeinere Fragestellungen zugrunde. So kann auch das Projekt 'So wohnen wir' - ausgehend vom Wohnen in der Messestadt - zu allgemeinen Überlegungen und Erkenntnissen über unterschiedliche Lebensformen und Wohnwelten führen.

Stand Sommer 2001